Rechtssicherheit, Steuerungsfähigkeit und Anpassungskompetenz im Wandel
Transformationen verändern Organisationen grundlegend – sei es durch Digitalisierung, Nachhaltigkeitsanforderungen, Reorganisationen oder den Wandel von Dienstleistungsmodellen. Inmitten dieser Veränderungen übernehmen Verträge, Ausschreibungen und das zugehörige Vertragsmanagement eine zentrale Rolle: Sie verankern die neuen Anforderungen strukturell und rechtlich, steuern externe wie interne Leistungsbeziehungen und sichern die Umsetzung operativer und strategischer Zielbilder. Ein ganzheitlich gedachtes Konzept der Transformation kommt deshalb nicht ohne eine integrative Vertrags- und Ausschreibungssystematik aus. Dieser Fachartikel zeigt, wie ein zukunftsfähiges Vertragswesen als tragende Säule für Transformationen aufgebaut wird.
Verträge und Ausschreibungen sind nicht länger ausschließlich Werkzeuge der Beschaffung, sondern zentrale Strukturgeber und Risikosteuerungselemente für Transformationen. Wer sie integrativ, modular, strategisch und anpassungsfähig aufstellt, schafft die Grundlage für langfristige Entwicklung, stabile Partnerschaften und operative Exzellenz. Ein professionell konzipiertes Vertragsmanagement ist damit ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Transformationskonzept moderner Organisationen – unabhängig von Branche, Betriebsmodell oder Rechtsform.
Verträge regeln nicht nur einzelne Leistungen – sie bilden einen rechtlich belastbaren Rahmen für den Wandel. Sie übersetzen strategische Ziele (z. B. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Nutzerzentrierung, Resilienz) in verbindliche Handlungspflichten, KPIs, Prüfrechte und Dokumentationsformen. Damit haben sie eine Doppelfunktion:
Strukturelle Verankerung von Transformationselementen (z. B. ESG-Kriterien, Innovationspflichten, CO₂-Reporting)
Operative Steuerung von Veränderung und Kontinuität (z. B. durch agile Vertragsformen, Nachverhandlungsklauseln, Skalierungsoptionen)
Im Konzept der Transformation sind Verträge somit nicht „reaktiv“ oder administrativ – sondern ein aktives Steuerungsinstrument für Entwicklung, Integration und Umsetzung.
Ausschreibungen als Architektur von Veränderung
Die Ausschreibung ist der Ort, an dem strategische Zielsetzungen konkret werden – etwa durch:
Definition von Nachhaltigkeitsstandards (z. B. Lebenszyklusbetrachtung, Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft)
Einforderung von Digitalisierungskompetenz (z. B. CAFM-Schnittstellen, IoT-Integration, Datenübergaben)
Sicherstellung von Servicequalität durch messbare SLA/OLAs
Verankerung von Compliance, Betreiberverantwortung und ESG-Regeln
Ausschreibungen im Kontext der Transformation müssen neu gedacht werden – nicht als reine Leistungsanforderung, sondern als Zukunftsbeschreibung eines Dienstleistungsmodells.
Elemente eines transformativ ausgerichteten Vertrags- und Ausschreibungssystems
Ein Konzept der Transformation muss folgende Anforderungen in der Vertrags- und Ausschreibungspraxis berücksichtigen:
Inhaltliche Klarheit und strategische Übersetzung
Transformationsthemen wie Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung, Digitalisierung, Resilienz, New Work, Flexibilität müssen in vertragliche Leistungsbilder überführt werden.
Beispiel: Aus dem strategischen Ziel „klimaneutral bis 2030“ wird eine vertragliche Verpflichtung zum CO₂-Monitoring, zur Nutzung emissionsarmer Fahrzeuge und zur Berichtspflicht über Scope-1/2-Emissionen.
Modularisierung und Skalierbarkeit
Vertragliche Systeme sollten modular aufgebaut sein, um unterschiedliche Projektarten (z. B. Bestandsbetrieb, Neubau, Pilotprojekte) abbilden zu können.
Ausschreibungssets mit ESG-, FM-, Digitalisierungs- und Governance-Modulen erleichtern die Wiederverwendbarkeit und reduzieren Erstellungsaufwand.
Agilität und Anpassungsfähigkeit - Transformation ist dynamisch – Verträge müssen das zulassen:
Nachschärfungsklauseln
Reviewzyklen (z. B. jährlich)
Kopplung an externe Standards (z. B. GEFMA 190, ISO 41001, VDI 3810)
Innovationsanreize oder Optionen zur Leistungserweiterung bei Pilotprojekten
Transparenz und Datenmanagement
Digitale Vertragsakten mit Fristenüberwachung, Volltextsuche, KPI-Dashboards
Integration von Verträgen und Ausschreibungsdokumenten in CAFM-, ERP- oder ESG-Reporting-Systeme
Übergabepflichten in datenbankfähiger Form (z. B. für LCA-Tools, Reporting, IoT-Umgebungen)
Vertragsmanagement als Governance-Instrument
Ein transformatorisches Vertragsmanagement erfüllt mehr als nur die Pflege von Dokumenten. Es ist eine Steuerungs- und Kontrollinstanz, die:
über digitale Tools alle Laufzeiten, Pflichten und Abhängigkeiten monitoren kann
Compliance mit Umwelt-, Vergabe-, Arbeitsschutz- und Datenschutzrecht überwacht
als Wissensspeicher für Lessons Learned, Vertragsänderungen, Standardformulierungen fungiert
interne Stakeholder (z. B. Einkauf, FM, Recht, Nachhaltigkeit) koordiniert und informiert
den Transfer zwischen Strategie, Projekt und Betrieb unterstützt
Typische Einsatzbereiche im Kontext der Transformation
Handlungsempfehlungen für ein zukunftsorientiertes Vertragswesen
Frühzeitige strategische Verzahnung: Verträge und Ausschreibungen nicht erst bei Projektstart, sondern bereits in der Strategieentwicklung mitdenken.
Interdisziplinäre Vertragsentwicklung: FM, ESG, Recht, IT, Einkauf und Nutzervertretung müssen gemeinsam Anforderungen formulieren.
Strukturierte Vorlagenbibliothek: Entwicklung von Ausschreibungssets und Vertragstemplates für Transformationsthemen (z. B. Energie, Digitalisierung, Betreiberverantwortung).
Qualifizierung & Schulung: Aufbau von interner Expertise im Umgang mit transformativem Vertragsrecht (z. B. ESG-relevante Vergabekriterien, VgV, GEG).
Vertragscontrolling als Führungssystem: Nutzung von Dashboards, KPIs und Frühwarnsystemen zur Steuerung laufender Verträge im Transformationskontext.